Nepal

Auffangen statt abhängen

In Nepal haben Care Leaver*innen die Möglichkeit, in ihr SOS-Kinderdorf zurückzukehren oder bei den Familienstärkungsprogrammen Unterstützung zu suchen. Im Zuge der Coronapandemie haben viele ehemalige Begünstigte dieses Angebot wahrgenommen.

Nirmala (mit ihren Söhnen Arpan und Sunil) ist eine der Care Leaver*innen in Nepal, die Hilfe bei SOS-Kinderdorf suchten.

Diese Entwicklung in Nepal bestätigt auch Erika Dittli, Programmleiterin bei SOS-Kinderdorf Schweiz. «Insgesamt sind mehr als 100 Begünstigte in die SOS-Kinderdörfer, in denen sie aufgewachsen sind, zurückgekehrt. Die meisten von ihnen geben direkte oder indirekte Folgen der Coronapandemie als Begründung an. Sie bedeuteten für viele von ihnen Isolation anstatt Unabhängigkeit. Die Rückkehr an einen vertrauten Ort mit liebevollen Menschen ist die logische Konsequenz.»

Durch die Lage am Arbeitsmarkt spitzt sich diese Entwicklung noch zu. Die wiederholten Lockdowns zogen den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze nach sich, auch Absolventen der Universität haben Schwierigkeiten beim Einstieg in die Arbeitswelt. Um betroffene Care Leaver*innen zu unterstützen, setzt SOS-Kinderdorf neben der Aufnahme im vertrauten Umfeld auf zwei Massnahmen. Einerseits erhalten die Begünstigten Zugang zu Fortbildungskursen, die sie für den Arbeitsmarkt spezialisieren, etwa in den Bereichen Informatik und Finanzwesen. Zudem greift SOS-Kinderdorf 100 älteren Care Leaver*innen, die bereits eine eigene Familie gegründet haben und diese nicht mehr ernähren konnten, finanziell unter die Arme. 

Die heute 35-jährige Nirmala wuchs im SOS-Kinderdorf Gandaki auf und zog ihre beiden Söhne seit dem Tod ihres Mannes vor zwei Jahren allein gross. Die Coronapandemie verschärfte die Lage der Familie ungemein, da Nirmala während des Lockdowns nicht mal auf Jobsuche gehen konnte. «Ich hatte gehofft, diese Phase ohne Hilfe zu überstehen, aber finanziell wurde es immer schwieriger. Das Essen, die Miete und die Schulgebühren – es wurde einfach zu viel. Ich fühlte mich all dem hilflos ausgeliefert, also wandte ich mich an meine SOS-Kinderdorf-Familie in Gandaki, die mich aufgezogen hatte. Es bricht mir das Herz, mich wieder in einer verletzlichen Lage zu befinden. Aber ich kann meine Kinder nicht leiden sehen, also habe ich dort Hilfe gesucht, wo ich zuvor nie enttäuscht wurde.» Als die SOS-Mitarbeitenden in Gandaki von Nirmala hörten, boten sie ihr an, ihre Kinder mit pädagogischer Beratung zu unterstützen, damit sie die Schule nicht wegen der komplizierten Umstände abbrechen. Ausserdem setzen sie sich in der Zwischenzeit mit allen Kräften und verfügbaren Ressourcen dafür ein, dass Nirmala wieder einen ihren Qualifikationen entsprechenden, geeigneten Arbeitsplatz findet.

Ashim in seinem früheren SOS-Kinderdorf, während eines Spaziergangs und beim Sport.

Eine Erfahrung, die der 23-jährige Ashim, der ebenfalls im SOS-Kinderdorf Gandaki aufwuchs, nur zu gut nachvollziehen kann. Der junge Mann hatte sich mit einer Kantine selbstständig gemacht, die im Rahmen der Coronapandemie vollständig zum Stillstehen kam und letztlich geschlossen werden musste. «Ich war untröstlich. Und die Situation wurde einfach nicht besser. Immer wieder wurde Nepal von neuen Wellen heimgesucht.» Nach und nach verlor er seine gesamten Ersparnisse und wandte sich schliesslich an SOS-Kinderdorf Gandaki, das ihm daraufhin finanzielle Unterstützung zusagte. 

Ashim erzählt, dass dieser Rückhalt während der Coronapandemie eine grosse Erleichterung für ihn war. Um die Zeit zu nutzen, lernt Ashim von seinen Freunden, neue Gerichte zu kochen. Ausserdem plant er, eine Ausbildung zum Bäcker zu machen und seine kulinarischen Fähigkeiten weiter auszubauen. Dafür sucht er nach passenden Kursen – in der Hoffnung, sein Geschäft mit neuen Lebensmitteln wieder zu eröffnen, wenn die Pandemie endlich überstanden ist.