Mexiko

Nicht ohne meine Schwester

Auf der Flucht vor Gewalt in Honduras und mit der Hoffnung auf einen Neuanfang in den USA landen die Schwestern Fernanda (17) und Jimena (16) 2020 in einem Migrationszentrum in Mexiko.

Fernanda und Jimena wagten die Flucht über eine der gefährlichsten Routen der Welt: von Zentralamerika in die Vereinigten Staaten. Drohen schon auf dem
Weg Überfälle, Hunger und Gewalt, sterben an der amerikanisch-mexikanischen Grenze jährlich Hunderte. Die Schwestern nahmen das Risiko trotzdem in Kauf. Denn die Alternative, in ihrer Heimatstadt San Pedro de Sula zu bleiben, erschien ihnen noch bedrohlicher. «Ein Bandenchef wollte mich heiraten», erzählt Jimena. «Ich habe mehrmals abgelehnt, daraufhin bedrohte er mich und meine Familie. Ich hatte Angst und sah keinen anderen Ausweg, als zu fliehen. Fernanda schloss sich mir an.»

Die beiden Schwestern bezahlten einen Schlepper und erreichten nach vier langen, anstrengenden Tagen, teils zu Fuss, teils im Bus, Mexiko. Ihre Erleichterung währte nur kurz. Wie viele andere Flüchtlinge wurden sie festgenommen und vorübergehend in eine Unterkunft für minderjährige Migranten in Chiapas gebracht. Die Zustände dort waren menschenunwürdig. Auf engem Raum und unter unsäglichen hygienischen Bedingungen werden junge Menschen wie Fernanda und Jimena festgehalten, ohne zu wissen, wie es weitergeht. 

An manchen Tagen mussten sie mit ein paar Bohnen und Wasser auskommen. Misshandlungen und Diskriminierung durch das Personal standen an der Tagesordnung. Darüber hinaus wütete die Corona-Pandemie auch in Mexiko und verschärfte die Lage zusätzlich. «Sie behandelten uns sehr schlecht. Es war schrecklich und wir hatten Angst», erinnert sich Jimena. «Als ich erfuhr, dass ich gehen muss, sagten sie mir nicht einmal, wohin. Sie haben mich einfach in einen Bus gesteckt, ohne meine Schwester.» Die Geschichte der beiden Schwestern beweist, wie traumatisch die Trennung von Familienmitgliedern für Kinder und Jugendliche auf der Flucht ist. Den letzten bekannten Halt in einer bedrohlichen, unbekannten Lage zu verlieren, hinterlässt tiefe Spuren in der Psyche Betroffener.

Jimena kam daraufhin im SOS-Kinderdorf in Comitán unter, einen Monat später folgte endlich ihre Schwester. Die beiden leben dort unter anderem mit ihrer Betreuerin Fanny und drei jungen Männern aus Honduras zusammen, die eine ähnliche Reise hinter sich haben. «Ich fühle mich hier frei, erzählt Fernanda. «Nachdem wir so viel durchgemacht haben, und die Angst vor der Pandemie dazukam, empfinde ich wieder Sicherheit. Hier werden wir versorgt und können wieder für die Zukunft planen.» Mittlerweile haben die tapferen Schwestern einen dauerhaften Wohnsitz in Mexiko, der es ihnen erlaubt, sich frei zu bewegen. Wie viele Migranten, die vor Gewalt fliehen, träumen Jimena und Fernanda von einem Leben in den USA ohne Angst und Gefahr, während sie ihre Familie unterstützen und hoffen, sie wiederzusehen. Seit 2018 hat SOS-Kinderdorf in Mexiko 60 unbegleitete Jugendliche unterstützt, die vor Bandenkriminalität und Perspektivenlosigkeit in Zentralamerika geflohen sind, Unterstützung bei ihren Asylanträgen geboten.


In den letzten zehn Jahren sind weltweit 400 000 Asylgesuche von unbegleiteten Minderjährigen gestellt worden. SOS-Kinderdorf unterstützt Betroffene und arbeitet zugleich daran, die Fluchtursachen zu bekämpfen.


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