Deutschland

Entlastung statt Belastung


Britt Horn ist Psychologin und Mediatorin in der Erziehungs- und Familienberatung des
SOS-Familienzentrums Berlin. Sie erklärt, wie sich Überforderung in Familien auf Kinder
auswirkt und wie SOS-Kinderdorf überforderte oder ratsuchende Eltern unterstützt.

Sie arbeiten in der Erziehungs- undFamilienberatung des SOS-Familienzentrums Berlin. Welche Familien nehmen dieses Angebot wahr?
Unser Team aus acht Mitarbeitenden betreut Familien mit unterschiedlichen Problemen. Zu uns kommen Familien, deren Zusammenleben sich aufgrund der Geburt des ersten Kindes oder durch Trennung verändert hat. In unserem Bezirk leben viele alleinerziehende Mütter, die sich bei uns Unterstützung holen. Auch das Thema Überforderung in der Erziehung begegnet uns.

Wie zeigt sich Überforderung in Familien?
Überforderung ist ein Zuviel oder ein Zuwenig an Zuwendung, elterlichen Grenzen und einer Erziehung, die sich aus unterschiedlichen Gründen «festgefahren» hat. Wir erleben beispielsweise Kleinkinder, die auf ein Elternteil wütend
einschlagen, während der Vater oder die Mutter lächelnd sagt: «Aua, das tut aber weh.» Solchen Eltern-Kind-Interaktionen begegnen wir mit viel Verständnis und mit Aufklärung über die Entwicklung eines vierjährigen Kindes und über die verschiedenen Möglichkeiten der liebevollen, aber bestimmten Grenzsetzung.

Studien belegen, dass ein Grund für die Gefährdung des Wohls von Kindern die Überforderung der Eltern ist. Was muss passieren, damit liebende Eltern es nicht mehr schaffen, sich gut um ihre Kinder zu kümmern?
Die Gründe für eine Überforderung variieren. Was mich am meisten bewegt, sind Eltern, die selbst keine schöne Kindheit hatten. Solche Eltern haben oft weniger gute innere Bilder, an denen sie sich in ihrer Beziehung zu ihren Kindern orientieren können. In schwierigen Situationen besteht ein höheres Risiko, in Muster zu rutschen, die sie eigentlich ablehnen. Da schlägt zum Beispiel eine junge Mutter ihre Tochter im Kitaalter, weil sie frech war. Oder der Vater kommt abends nach Hause, trinkt und verhält sich aggressiv und unberechenbar. Eben genau so, wie er es von seinem Vater kennt. Ich erlebe diese Eltern oft als sehr ehrlich. Sie bemerken ihre eigene Überforderung und haben grosse Angst, ihren Kindern das anzutun, was sie selbst erlebt haben. Denn eigentlich sehnen sie sich nach einer liebevollen Familie. Den Mut dieser Eltern, in die Beratung zu kommen und mit uns gemeinsam nach Handlungsalternativen zu suchen und Unterstützung anzunehmen, respektiere ich sehr.

Wie wirken sich solche familiären Probleme auf die Kinder aus?
Oft zeigen sich Probleme in den Familien durch Auffälligkeiten der Kinder. Im Grunde haben Kinder zwei Möglichkeiten, auf die familiäre Situation zu reagieren. Die eine Gruppe zieht sich in sich selbst zurück – diese Kinder reagieren introvertiert und bleiben dann oft unter dem Radar von Lehrpersonen. Sie entwickeln mitunter erstaunliche Fähigkeiten, um mit diesem Rückzug, der immer auch Verzicht ist, klarzukommen. Ich kannte ein Mädchen, das sprach fliessend rückwärts. Sie hatte es sich in ihrem chaotischen Zuhause selbst beigebracht, um ihren Gefühlen nicht ausgeliefert zu sein.

Die zweite mögliche Reaktion sind extrovertierte Auffälligkeiten. Das sind Kinder, die den Lehrpersonen auffallen, da sie die Gruppendynamik stören, den Unterricht sprengen oder regelmässige Schreiattacken bekommen. Aber völlig egal, wie unterschiedlich die Auffälligkeiten sind, Kinder fühlen sich durch familiäre Probleme oft traurig, wütend, wertlos oder ohnmächtig. Wichtig sind hier empathische Eltern, vielleicht auch eine Lehrperson oder externe Bezugsperson, die das Kind sieht und es unterstützt. Nur so wird das Kind nicht dauerhaft in seinem Selbstwert und in seinem Vertrauen in die Welt geschädigt.

Wie helfen Sie belasteten Familien kurz- und langfristig? Welchen Ansatz verfolgen Sie?
Der Vorteil unserer Erziehungsberatungsstelle ist die Integration in das Familienzentrum. Durch den Besuch des offenen Bereichs im Familienzentrum kommen Eltern auch ungezwungen in den Kontakt zu unseren anderen Angeboten. Wir helfen
Eltern mit Lösungen für konkrete Anliegen, beispielsweise Fragen rund um die Geburt, Sorgen um die gesunde Entwicklung des Kindes, Ideen für den Alltag mit Pubertierenden oder den Umgang mit Regeln und Aufgaben.

Gewaltfreie Erziehung

Tragen Sie dazu bei, dass Eltern ihre Kinder positiv und gewaltfrei erziehen. Mit dieser Schulung helfen Sie Erziehungsberechtigten, ihre Soft Skills auszubauen und im Umgang mit Kindern positive Erziehungsmethoden anzuwenden. Das Ziel ist immer, die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kindern zu stärken, da diese Beziehung ein unverzichtbarer Teil für die gesunde Entwicklung jedes Kindes ist.

Briefe der Hoffnung