Äthiopien

«FÜR MICH IST MAMA EINE HELDIN»

Bei der Versorgung ihrer Familie konnte Meseret nicht auf die Unterstützung ihres alkoholabhängigen Mannes zählen. Dank SOS-Kinderdorf plant sie heute wieder langfristig und inspiriert ihre Kinder.

Meseret mit ihrem Sohn Amaniel (9) und ihrer Tochter Makeda (10)

In ihrem Leben musste Meseret schon einige Tiefpunkte überwinden. Die 39-Jährige ist seit 22 Jahren mit ihrem Mann zusammen. Gemeinsam mit fünf Töchtern und drei Söhnen lebt das Ehepaar in der äthiopischen Stadt Hawassa. Wie viele Mädchen ihrer Generation war Meseret gezwungen, die Schule schon in der zweiten Klasse abzubrechen. Für ihre Familie musste sie sehr schnell allein die Verantwortung übernehmen: «Mein Mann ist Fischer, gibt aber schon lange den grössten Teil seines Lohns für Alkohol aus.» 

Nach vielen gescheiterten Versuchen ihrerseits, selbst ein kleines Geschäft aufzuziehen, wurde die Familie in dem lokalen Familienstärkungsprogramm von SOS-Kinderdorf aufgenommen. Vier ihrer Töchter erhalten Schulstipendien, die unter anderem ihre Ernährung sichern. Meseret nahm an einem Kochkurs zur Zubereitung nahrhafter, lokaler Lebensmittel teil. Besonders die orangen Süsskartoffeln begeisterten sie – und schon bald auch ihre Kinder: «Meine Kinder nicht einfach nur zu versorgen, sondern etwas zu kochen, was sie lieben, erfüllt mich mit Freude und Stolz.» Im Zuge des Familienstärkungsprogrammes schloss SOS-Kinderdorf eine Krankenversicherung für die Familie ab und stellte ein Moskitonetz sowie Schulmaterialien zur Verfügung, um die Gesundheit und den Bildungsstand der Familie zu verbessern. Diese Hilfe schloss genau die Lücken, die Meseret zuvor überforderten und ermöglichte es ihr, ihr kleines Geschäft für Lebensmittel auszubauen. Heute zählt die Familie auf ausgewogene Ernährung, gemeinsame Zeit und hat Zugang zu sanitären Einrichtungen. «Ich bin so dankbar für die Hilfe von SOS-Kinderdorf. Anstatt notdürftig zu improvisieren, kann ich endlich langfristig planen», betont Meseret. 

Mit der gewonnenen Unabhängigkeit wächst auch Meserets Selbstbewusstsein. Ihr liegt nun viel daran, dass ihr Mann etwas ändert – für sich selbst und das Wohl der Familie. Früher hätte sie seinen Alkoholismus nie angesprochen. Dass sie das nun macht, ist schon ein Fortschritt. Meseret ermutigt ihn, regelmässig eine Selbsthilfegruppe zu besuchen und sich endlich von seiner Abhängigkeit zu lösen. Damit ist Meseret auch ein Vorbild für ihre Kinder. Ihre Tochter berichtet stolz: «Für mich ist Mama die grösste Heldin. Sie hat nie aufgegeben, war immer für uns da. Ich will später mal werden wie sie.»

Pionierin in der Familienstärkung

Als erste Frau in Äthiopien hat die 29-jährige Serkalem Nigussie eine Stelle als Koordinatorin für Familienstärkungsprogramme angetreten.

«Ich habe 2016, also vor fünf Jahren, begonnen, für SOS-Kinderdorf zu arbeiten. Ich war als Jugendbetreuerin und als Mitarbeitende tätig und nun als Koordinatorin im Bereich Familienstärkung. Jeden Tag wachse ich mit und an meinen Erfahrungen. Dass ich die erste Frau in dieser Position bin, macht mich glücklich und erfüllt mich mit Stolz. Die Leitung in Harar hat zudem durch meine Ernennung ihren Einsatz für die Gleichstellung der Geschlechter bewiesen. Meine Motivation, für SOS-Kinderdorf zu arbeiten, ist, etwas für notleidende Kinder zu verändern. In meiner Rolle betrifft dies Kinder, die die elterliche Fürsorge verloren haben oder davon bedroht sind, und die elterliche Fürsorge ist entscheidend für das Wohlbefinden und die Entwicklung der Kinder. Jeden Tag stehe ich mit dem Ziel auf, das Risiko des Verlusts der elterlichen
Fürsorge für Kinder zu verringern. Langfristig möchte ich darüber hinaus auch einen gesellschaftlichen Wandel unterstützen, indem ich mich weiblichen Vorbildern anschliesse und wir uns gemeinsam gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung von Frauen wehren.»

Familienstärkungsprogramme bilden einen der Grundpfeiler von SOS-Kinderdorf. Jeder hier investierte Spendenfranke resultiert in 22 Franken Mehrwert für die Gemeinde.