WELTWEIT

NACHHALTIG VERTRAUEN SCHAFFEN

Gemäss der Stiftung ZEWO haben Hilfswerke in der Schweiz 2019 mehr als 1,9 Milliarden Franken an Spenden eingenommen. Welche Risiken der Umgang mit Spenden über Grenzen hinweg birgt und wie diese minimiert und verhindert werden? SOS-Kinderdorf klärt auf.
Der effiziente Einsatz von Spenden ermöglicht erst gelungene Familienstärkungsprogramme wie die Spar- und Leihgruppen in Maradi, Niger.
Hilfswerke wie SOS-Kinderdorf sind auf das Vertrauen ihrer Spendenden und Partner angewiesen. Korruptionsfälle erschüttern dieses meist zutiefst und machen so in kurzer Zeit jahrelange Arbeit zunichte. Um Korruption zu bekämpfen, setzt SOS-Kinderdorf Schweiz deshalb auf ein Kontrollsystem, das aus mehreren unabhängigen Instanzen besteht. Neben der internen Kontrolle auf nationaler Ebene sorgen die Zertifizierung durch die ZEWO sowie die Antikorruptionsregeln von SOS-Kinderdorf International für Prävention und Ahndung von Korruptionsfällen.
 
Erika Dittli, Programmleiterin bei SOS- Kinderdorf Schweiz, kontrolliert die Umsetzung dieser Richtlinien bei Programmreisen vor Ort. «Wenn ich Projekte in unseren Einsatzländern besuche, gilt das Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Stichproben betreffend Ausgaben haben sich dabei als praktisches und verlässliches Mittel etabliert.» Daneben hat ein transparentes Budget für alle Beteiligten oberste Priorität. «Zu wissen, welche Ausgaben konkret geplant sind, macht finanzielle Prozesse für alle Parteien transparent und langfristig nachvollziehbar und erleichtert unseren Mitarbeitenden vor Ort die Kontrolle», so Dittli. Bei der Planung von neuen Projekten durch die Programmabteilung in der Schweiz ist die Grössenordnung des Budgets zudem sehr wichtig. Erst eine gewisse Höhe sichert eine angemessene Breitenwirkung der Massnahmen und garantiert, dass die Verhältnismässigkeit von Aufwand und Ertrag gewährleistet bleibt. Spendende haben zudem selbst die Möglichkeit, die Verwendung genauer anzuschauen. Der jährlich veröffentlichte Jahres- und Finanzbericht bietet einen detaillierten Überblick darüber, wie die Spenden genutzt werden. Prüfungen durch unabhängige externe Partner garantieren zusätzlich den effizienten, transparenten und wirksamen Einsatz der gesammelten Spenden.

STIFTUNGSRAT SOS-KINDERDORF SCHWEIZ

DORIS ALBISSER

Neben ihrer Funktion als Präsidentin des Stiftungsrats bei SOS Kinderdorf Schweiz sitzt Doris Albisser seit Juni 2019 auch im Internationalen Senat von SOS-Kinderdorf.


Was war Ihre Motivation, diese ehrenamtliche Funktion auszuüben?
Es ist eine spannende, herausfordernde Tätigkeit in einem internationalen Umfeld. Überdies motiviert mich die ausserordentlich sinnstiftende Aufgabe von SOS-Kinderdorf: Wir ermöglichen Kindern und Jugendlichen eine Zukunft und ein eigenständiges Leben. Über die Zusammenarbeit mit den Müttern, Familien, Gemeinden und Behörden schaffen wir ein Ökosystem, dank dem ganze Gemeinden ihre Eigenständigkeit erlangen.


Wofür ist der Senat zuständig, und welche Aufgaben
nehmen Sie wahr?

Der Internationale Senat besteht aus 22 Mitgliedern und bildet das strategische Aufsichtsorgan innerhalb der SOS-Kinderdorf-Föderation. Er definiert Richtlinien und bereitet unter anderem die Themen vor, die der Generalversammlung alle vier Jahre unterbreitet werden. Im Internationalen Senat bin ich Mitglied des «Nominationsausschusses» und des «Finanz- und Prüfungsausschusses». Überdies wurde mir kürzlich die Leitung im Bereich «Organisationskultur» übertragen – ein sehr spannendes Thema. Dazu kommen weitere Aufgaben, die nach Bedarf zugeteilt werden. Insgesamt bereitet mir die Arbeit sowohl als Präsidentin von SOS-Kinderdorf Schweiz wie auch die Tätigkeit im Internationalen Senat enorm viel Freude. Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Sich für sie einzusetzen, lohnt sich.

SOS-KINDERDORF INTERNATIONAL

KORRUPTION HAT VIELE GESICHTER

Von Unterschlagung über Diebstahl bis hin zu Bestechung. Für ein international tätiges Hilfswerk wie SOS-Kinderdorf sind umfassende Regeln gegen Korruption unverzichtbar.
Karen Ernst und Manuel Wüthrich sind am Hauptsitz von SOS-Kinderdorf International in Innsbruck dafür zuständig, dass die Regeln gegen Korruption auch eingehalten werden. Ernst, Leiterin der Rechtsabteilung, bearbeitet eingehende Korruptionsvorwürfe, setzt präventive Massnahmen um und berät die Organisation zu Fragen der Ethik und guter Regierungsführung. Wüthrich, Leiter der internen Revision, ist für die Planung und Durchführung von Prüfaufträgen verantwortlich und unterstützt diesbezüglich Regionalbüros weltweit.

Hinsichtlich der grössten Risikofaktoren für Korruption sind sich die beiden einig: «Schwache politische und rechtliche Strukturen in den Einsatzländern machen Organisationen und Menschen vor Ort anfällig für korruptes Verhalten.» «Schlussendlich sind es immer Menschen, die zulasten der Organisation verbotene Handlungen ausüben», erklärt Wüthrich. «Die Praxis zeigt, dass in Einzelfällen selbst weitreichende interne Kontrollsysteme mutwillig umgangen werden.» Für ein korruptes Umfeld sind dabei erwiesenermassen die Nichtahndung von Fehlverhalten, die unklare Trennung von Vorstand und Kontrollorganen sowie die mangelnde Aufklärung über das Thema förderlich. Genau hier greifen die Massnahmen von SOS-Kinderdorf.

Das Hilfswerk hat für alle Mitarbeitenden weltweit klare Regeln im Verhaltenscodex und in den Antikorruptionsrichtlinien festgelegt. So ist sichergestellt, dass die gesetzlichen Anforderungen in allen Einsatzländern erfüllt sind und klare Vorgaben für die Meldung, Untersuchung und Sanktionierung von Korruption bestehen. Wer einen Verdacht hegt, hat verschiedene Anlaufstellen, diesen zu melden. Abhängig vom Fall bietet sich der direkte Vorgesetzte, nächsthöhere Verantwortliche auf regionaler und nationaler Ebene oder aus dem HR-Bereich an. Ganz wichtig: Um Schutz und Anonymität der Informantin oder von Informanten zu gewährleisten, gibt es zwei Onlineformulare für Whistleblower - eines für Erwachsene, eines speziell ausgelegt für Kinder. Weitere Sicherheit bietet die Garantie, dass bei irrtümlichen Verdachtsmeldungen auf Treu und Glauben keine negativen Konsequenzen drohen.

Bestätigt sich hingegen ein Verdacht, kommt die Null-Toleranz-Politik zum Tragen, die sich SOS-Kinderdorf auf die Fahne geschrieben hat. Das heisst: «Nachgewiesene Fälle haben die sofortige Entlassung der Beteiligten und, falls nationale Gesetze gebrochen wurden, die Verfolgung durch die Justiz zur Folge» betont Ernst. Zugleich unverzichtbar: organisationsweite Standards, um Ungleichbehandlung vorzubeugen, und die stetige Bestärkung von Mitarbeitenden, offen über das Thema zu sprechen. Jährlich veröffentlicht das Hilfswerk einen Bericht über die Korruptionsfälle, in dem transparent und ausführlich über die gemeldeten Fälle, die Untersuchungen und deren Ergebnisse Rechenschaft abgelegt wird.

Je nach Fall ziehen die Untersuchungen verschiedene Schritte nach sich. Datenanalysen, Abgleiche von Originaldokumenten wie z. B. Rechnungsbelegen und Zeugenbefragungen haben sich als bewährte Mittel erwiesen. So traurig jeder bestätigte Einzelfall auch ist, haben nachgewiesene Fälle langfristig  auch positive Auswirkungen. So konnten seit 2010 über 214 840 Euro (= ~230 000 Franken) Kapital zurückgewonnen werden. Ausserdem positiv: Während die Zahl der bearbeiteten Fälle 2019 minimal zunahm (von 35 auf 36 weltweit), erhärten sich längst nicht alle Hinweise. Das heisst, die Menschen sind besser für Korruption sensibilisiert und melden verdächtige Vorgänge. «Das spricht eindeutig für die Wirksamkeit der präventiven Massnahmen», freut sich Ernst. Darüber hinaus zeigt die Entwicklung auch, dass Korruption zwar menschlich ist, aber auch zunehmend gemeldet und aufgeklärt wird.