Weltweit

Massenphänomen Migration

Zuletzt waren gemäss UNHCR (2022) weltweit mehr als100 Millionen Menschen auf der Flucht. Immer unter den Leidtragenden:
die in der Heimat zurückbleibenden oder auf der Flucht besonders gefährdeten Kinder. SOS-Kinderdorf engagiert sich an mehreren Fronten, um sie zu schützen
.

Bild: Carlos und seine beiden Kinder Leon und Eva. © Jakob Fuhr

Jedes Jahr nehmen Hunderttausende Menschen den beschwerlichen Weg aus Süd- und Zentralamerika Richtung Mexiko und USA auf sich. So auch die Familie Estrada. Aber: Carlos (40) und Marcela (38) wagten diesen Schritt vor zwanzig Jahren und sind heute keinen Schritt weiter
als damals. Die beiden tragen die Last der rechtlichen Lücken für Migrant:innen und Flüchtlinge in Mexiko. Sie konnten nicht einmal ihre sieben Kinder in Mexiko registrieren lassen, obwohl sie alle dort geboren wurden. Aus diesem Grund haben Miguel (21), Laura (18), Ana (16), Eva (13), Leon (10), Maya (16) und Nicola (4) keinen Zugang zu
Bildung, Gesundheitsversorgung oder staatlichen Sozialprogrammen. «Ich habe 40 Jahre lang so gelebt. Ich wurde in einer armen Familie geboren und werde wahrscheinlich in Armut sterben», erzählt Carlos. «Meine Hoffnung sind meine Kinder, dass sie eine gute Ausbildung erhalten und es ihnen gut geht.» Carlos und seine Eltern gehörten zu den 200 000 Guatemalteken in Mexiko, die Anfang der 1980er-Jahre vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land flohen. Nach dem Friedensabkommen von 1996 kehrte die Familie in ihr Heimatland zurück und verlor beim Grenzübertritt automatisch ihren Flüchtlingsstatus. 1998 zerstörte der Hurrikan Mitch ihr Haus und mit ihm ihre Ausweispapiere. Ohne Besitz und Perspektive zogen sie mit ihren damals zwei Kindern nach Mexiko, wo sie neue Chancen und Schutz vor der zunehmenden Gewalt in Guatemala suchten.

Seit über sechs Jahren lebt die Familie Estrada in El Refugio, einer Gemeinde in der Region Chiapas. Carlos konnte dort ein Grundstück kaufen und ein bescheidenes Haus für die Familie bauen. Tochter Laura hat mittlerweile geheiratet und lebt jetzt mit ihrem Mann in der Nähe. Carlos hat schon auf dem Bau, in Restaurants und auf dem Feld gearbeitet. Da er keine Papiere besitzt, sind die Arbeitsbedingungen schlecht, die Arbeitszeiten lang und der Lohn niedrig. Das hilft der Familie zu überleben, aber es reicht nicht. Obwohl die Kinder nicht eingeschult werden können, besuchten sie eine Zeit lang die einzige Schule in der Gegend, konnten aber nur passiv teilnehmen und zuhören. Sie erhielten kein Schulmaterial und kamen auch nicht in den Genuss staatlicher Projekte, wie etwa die Verteilung von Lebensmitteln oder Sozialleistungen. SOS-Kinderdorf arbeitet in Mexiko seit mehr als 16 Jahren mit Familien in der Region Chiapas zusammen. «In dieser Gemeinde gibt es derzeit 30 Familien ohne Papiere», erklärt Graciela Aguilar, die SOS-Kinderdorf vor Ort berät. «Für das Wohlergehen der Kinder ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Familien Ausweispapiere erhalten, damit sie arbeiten können und Zugang zu Gesundheitsfürsorge, Bildung und den Sozialprojekten der Regierung haben.» Während des letzten Sommers hatten die Kinder der Familie Estrada einen Arzttermin, um ihr Alter zu überprüfen. Mit der offiziellen Bestätigung haben sie nun die Möglichkeit, eine Geburtsurkunde zu erhalten und sich damit in der Schule einzuschreiben. «In der Schule möchte ich endlich Mathe lernen und richtig lesen und schreiben», berichtet Miguel, der Älteste unter den Geschwistern, der in der Abendschule seine vernachlässigte Bildung nachholen möchte. Für die jüngste Generation der Estradas ein entscheidender Schritt, um sich aus dem staatenlosen Status zu befreien.

Weltweit: Migration in Zahlen

100 Millionen

Menschen sind auf der Flucht.
40 % davon sind Kinder.

15 000

Menschen kamen schätzungsweise allein
bei der Flucht über das Mittelmeer in den
letzten fünf Jahren ums Leben.

140 Millionen

Klimaflüchtlinge könnten bis 2050 aufgrund
des Klimawandels hinzukommen.

Bilder: Marcela präsentiert stolz die Fotos für die Ausweise ihrer Familie und die Familie besucht die Behörde vor Ort.

Bildung braucht Kontinuität
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