Schweiz

«Leaving Care: Der Bedarf ist gross»

Programmleiterin Erika Dittli erklärt, warum SOS-Kinderdorf Schweiz sich zukünftig auch hierzulande mehr im Bereich «Leaving Care» engagieren möchte.

Geht es uns in der Schweiz nicht gut genug? Gibt es nicht bereits genügend Hilfsorganisationen, die sich hierzulande engagieren?
Könnte man meinen. Wir wollten das aber genauer wissen. Im Auftrag von SOS-Kinderdorf hat Dr. phil. Anna Katherina Schmid deshalb eine Studie in diesem Bereich durchgeführt. In dieser Studie hat sie aufgezeigt, wo in der Schweiz der Bedarf benachteiligter Kinder und Jugendlicher besonders gross ist. Darüber hinaus beantwortet ihre Studie die Frage, welchen Beitrag die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz leisten kann, um diese Kinder und Jugendlichen zu befähigen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und eine faire Chance für eine bessere Zukunft zu erhalten. Das gesamte Team unserer Stiftung hat die Ergebnisse der Studie umfassend analysiert und diskutiert. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Projekt im Bereich «Leaving Care» geeignet ist, da der Handlungsbedarf hier in der Schweiz aus unserer Sicht am grössten ist.

Was hat Sie zum Engagement im Bereich «Leaving Care» bewogen?
Die Förderung von Care Leaver*innen ist international schon lange eines der prägenden Themen in der Kinder- und Jugendhilfe, auch bei SOS-Kinderdorf. SOS-Kinderdorf hat weltweit die Studie «Tracking Footprints» durchgeführt, bei der ehemalige SOS-Kinder zu ihrem Lebensweg und ihren Erfahrungen befragt wurden. Im April 2020 wurde durch Care-Leaver-Vereinigungen in verschiedenen Ländern das Projekt «Leaving Care – ein ganzheitlicher Ansatz für Hilfe zur Selbsthilfe für Fachkräfte und junge Erwachsene» lanciert, das von SOS-Kinderdorf gefördert wurde. Darüber hinaus arbeitet SOS-Kinderdorf mit der «FICE» (Netzwerk für alternative Kinder- und Jugendbetreuung) zusammen. Eine Kooperation, in der europäische Standards für diesen Bereich erarbeitet wurden. Weltweit betrachtet bearbeiten wir das Thema «Leaving Care» also schon länger und umfassend. Grund genug, diese Kompetenz jetzt auch hierzulande einzusetzen.

Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Leaving Care und dem Verein Careleaver Schweiz zustande?
Das Kompetenzzentrum Leaving Care besteht seit 2019 und dessen Ziele passen hervorragend zu unseren Vorstellungen. Eine Zusammenarbeit ist daher die ideale Ausgangsbasis für eine nachhaltige Umsetzung auf Programmebene. Das Kompetenzzentrum richtet den Blick auf die ganze Schweiz. Es will Initiativen von und für Care Leaver*innen unterstützen und anstossen sowie Wissen und Erfahrungen bündeln. Mit dem Ziel, dass alle Care Leaver*innen in der Schweiz einen niederschwelligen Zugang zu bedarfsorientierter und kostenloser Unterstützung erhalten. Heute helfen Pflegefamilien und Institutionen der Kinderund Jugendhilfe Care Leaver*innen teilweise informell. Diese Leistungen in der Phase des Leaving Care sollen systematisiert und erweitert werden. Für eine gesicherte Finanzierung dieser Leistungen müssen zudem die rechtlichen Grundlagen angepasst werden. 

Wird es möglich sein, dass sich Spendende bei diesem Projekt auch aktiv engagieren?
Ja, unbedingt. Derzeit planen wir mit unseren Partnern und unserem Netzwerk, in welchem Rahmen und wo konkret wir ein solches Projekt umsetzen können. Sobald dies steht, werden wir dies kommunizieren und hoffen dabei natürlich auch auf das Interesse und die Unterstützung unserer Spendenden.

Entlastung statt Belastung
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