Damit junge Mädchen (hier in Lesotho) in eine faire Zukunft schauen können, müssen Gesetze auch in der Gesellschaft ankommen.
    1995
    Mit der Erneuerung der Altersvorsorge wird die Ehepaarrente von zwei Individualrenten abgelöst.
    Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Ehepaarrente, wie es der Name nahelegt, nicht separat ausgezahlt, und der Mann hatte den rechtlichen Anspruch darauf. Neu berechnete sich infolge der zehnten AHV-Revision die Rente separat aus dem jeweils hälftig geteilten Einkommen der beiden Partner während der Ehe, dem individuellen Einkommen vor der Ehe und Gutschriften für Erziehung und Betreuung. In den Projektländern von SOS-Kinderdorf stehen Frauen insbesondere beim Tod ihres Mannes vor dem Nichts, von einer Altersvorsorge ganz zu schweigen. Verstirbt etwa in Nepal der Ehemann, ist die Witwe ihrem weiteren Schicksal oft hilflos ausgeliefert. Schon bei der Heirat gilt sie als Transaktion, und diese Form des Besitzdenkens bleibt bestehen. Entweder muss sie zurück zu ihren Eltern oder die Familie ihres Mannes «behält» sie. In jedem Fall wird sie als Belastung angesehen und kann nicht selbst über ihren weiteren Lebensweg entscheiden.

    Während in Lesotho grundsätzlich ein gerechtes Erbrecht besteht, wird das Erbe oft noch nach Brauchtumsrecht gehandhabt. Der erste männliche Nachfahre erbt, Witwe und Töchter werden in der Regel benachteiligt oder ganz übergangen. Im Jahr 2018 urteilte das Oberste Gericht Lesothos in einem solchen Fall und kritisierte die weiter gängige Anwendung des Brauchtumsrechts scharf. Vollständig überwunden ist das Brauchtumsrecht noch nicht. Nach und nach setzen sich die Gesetze jedoch auch in der Gesellschaft durch.
    2004
    Körperliche Gewalt, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung werden in der Ehe von Amtes wegen verfolgt.
    In der Schweiz verging viel Zeit, bevor vollwertiger Schutz durch das Gesetz auch in der Ehe Einzug hielt. Gleiches wäre auch in Äthiopien unbedingt vonnöten. In einer äthiopischen Demografie- und Gesundheitsstudie von 2016 gab mehr als ein Drittel aller jemals verheirateten Frauen zwischen 15 und 49 Jahren an, körperliche, sexuelle oder emotionale Gewalt durch den Partner erfahren zu haben. Sexuelle Gewalt in der Ehe gilt nicht als Straftat und wird folglich selten geahndet. In Lesotho ist die Lage ähnlich kritisch. Eine Umfrage durch das Afrobarometer von 2018 ergab, dass 25 Prozent der Befragten Gewalt des Mannes an der Ehefrau für vertretbar halten.
    Gesetze dagegen sind zwar erlassen, anhaltende Stigmatisierung und Schweigen in der Gesellschaft behindern aber die Durchsetzung. Sensibilisierung sowohl auf Seiten der Männer als auch der Frauen durch Schulungen und Workshops helfen dabei, veraltete Traditionen in Frage zu stellen. Die Zusammenarbeit mit lokalen und religiösen Autoritäten hat sich in dieser Hinsicht bewährt, um diese Ängste und Vorurteile nachhaltig abzubauen.

    SOS-Kinderdorf arbeitet in den Projektländern daran, auch in der Gesellschaft einen Sinneswandel zu bewegen. Das ist eine komplizierte Aufgabe, die einen langen Atem braucht. Eine Aufgabe, die sich aber auch lohnt. Denn mit jedem erfolgreichen Schritt blicken mehr Mädchen und Frauen weltweit in eine sichere, gleichberechtigte Zukunft.

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Frauen leben immer noch in  einem Land, in dem häusliche Gewalt nicht strafbar ist.
Quelle: Weltbank, März 2018.

Gleiche Chancen, kein Aber